NEULINGEN-BAUSCHLOTT. Es war kurz vor 16. 30 Uhr als in
Bauschlotts Rhena-Halle dem 3016. Spender die Kanüle aus der Vene
gezogen wurde. Eine Typisierungsaktion für den krebskranken
Christian (11) war vollbracht, wie sie zuvor kaum für möglich
gehalten wurde.
"Wenn ich nur dabei sein könnte und das sehen könnte", hat
Christian seiner Mutter am Telefon gesagt. Der elfjährige an
Lymphdrüsenkrebs erkrankte Junge hätte gesehen, wie den ganzen
Samstag über Menschen in der Gräfin-Rhena-Halle Blut abgaben, in der
Hoffnung ihres sei das geeignete, um seinem Leben eine Wende zu
geben, eine Zukunft frei von Chemotherapien, von denen er gerade
wieder eine intensive durchmacht. "Richtig dicke Spritzen" sagt
Ralph Ebert, der die Aktion für seinen kranken Neffen ins Leben
gerufen hat. Nur eine Transplantation von gesunden Stammzellen kann
nach seinen Worten dem Jungen das Leben retten.
Christian hätte aber auch eine Mutter und Großmutter gesehen,
denen angesichts der "großen Hilfsbereitschaft" die Worte fehlten,
sie waren "sprachlos". Bürgermeister Heinz Raißle war "überwältigt".
Wer hat schon vor der Suche nach einem Spender in Bauschlott
geglaubt, dass es machbar ist, über 3000 Personen zur Ader zu
lassen. Eine, die von Anfang an nie Skepsis zuließ, war Sylvia
Schwab, Arzthelferin und eine der vielen rechten Hände von Ralph
Ebert, "man muss die Leute nur richtig motivieren, dann kommen sie
auch."
Und wer in die Rhena-Halle zur Blutabnahme kam, der traf auf eine
Organisation, wie sie die Mitarbeiterinnen der Deutschen
Knochenmarkspenderdatei "nicht besser hätten vorfinden können".
Nicht die Spur von Aufregung war zu erkennen, vielmehr eine
Abgeklärtheit, die den Schluss nahelegte, die Abwicklung solch einer
Typisierungsaktion gehöre zur den alltäglichen Aufgaben des
DRK-Bereitschaftsführers, Christoph Fischer, und seiner Mitarbeiter.
Es galt 29 Blutabnahmeplätze sowie 29 Schreibplätze zu koordinieren,
und draußen war die Feuerwehr gefordert, den An- und Abfahrtverkehr
so zu regeln, dass sich die Schlangenbildung in Grenzen hielt.
Das zu schaffen, war ein kleines Kunststück, denn schon gegen
13.30 Uhr notierte Ralph Ebert rund 2000 Spender. Sie kamen mit
ihren Autos vornehmlich aus der Umgebung von Neulingen. Aber die
Schreiberinnen trugen auch Orte wie Vaihingen, Forst, und Rastatt in
die Formulare ein. Der Ausreißer aber hieß Nürnberg. Von dort kam
ein junger Mann seine Freundin in Neulingen zu besuchen, die ihn
aufgefordet hat: "Wenn du schon da bist, kannst du auch zur
Typisierungsaktion gehen". Eine Geschichte erzählt von einem
Autofahrer, der während der Fahrt von der Aktion Christian erfahren
haben soll und daraufhin bei Pforzheim Nord die Autobahn Richtung
Neulingen verließ, um in der Rhena-Halle eine Vene hinzuhalten.
Ob auch er nach dem Aderlass sofort seine Fahrt fortsetzte oder
sich zuvor im Foyer mit Kuchen oder Maultaschen der Landfrauen
stärkte, ist nicht bekannt. Gewiss ist aber, dass es dort reichlich
zu tun gab wie an allen Ecken an diesem Samstag, "an dem jeder
Verein", so Ralph Ebert, "sein Können dort einsetzte, wo seine
Stärken liegen. 125 Helfer waren im Einsatz". Die seien so perfekt
verzahnt gewesen, dass "kein Spender länger als fünf Minuten
anstehen musste", sehe man von der Schlange ab, die die
Last-Minute-Spender verursacht haben.
Sie aber haben das Ergebnis auf über 3000 Spender und auf knapp
40000 Mark hoch getrieben. Noch am Samstagabend wurden die 3016
Blutproben vom Stuttgarter Flughafen zur Untersuchung in die USA
geflogen, weil in Deutschland laut Ebert kein Labor auf solche
Mengen ausgelegt ist. Mit Ergebnissen rechnet er in zwei bis drei
Wochen.
Es werde höchste Zeit für Christian, dass er gesunde Stammzellen
bekomme. Die Ärzte in der Kinderklinik Karlsruhe hätten seinem
Neffen den Ernst der Lage deutlich gemacht. Auch die
Typisierungsaktion habe dem Jungen zu denken gegeben. Dennoch, ein
kleiner Hoffnungsschimmer tue sich auf, fast zu klein als dass Ralph
Ebert darüber sprechen möchte: Ein Spender sei gefunden, dessen vier
Gewebegrundmerkmale (HLA-Typisierung) mit denen von Christian
übereinstimmten, was ein guter Ansatz sei. Aber erst die
Feintypisierung (DRB) werde zeigen, ob sich Chrsitian und seine
Eltern berechtigte Hoffnungen machen dürfen.