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BAUSCHLOTT.Da sitzt er,
macht einen kerngesunden Eindruck, lächelt freundlich, obwohl es ihm
angenehmer wäre, die Vertreter der Zeitungen und manchmal auch des
Fernsehens würden weniger Interesse an seiner Person zeigen. Ein
hübscher Bengel von zwölf Jahren ist Christian Stößer. Und wenn hin
und wieder der Schalk aus seinen Augen guckt, vergisst man, was der
Junge durchgemacht hat. "Der hat viel weggesteckt im Kampf gegen den
Lymphdrüsenkrebs", sagt Mutter Evi.
Situation war kritisch
Vor einem Jahr wurde die Situation kritisch (wir
berichteten). "Entweder es findet sich bald ein Knochenmark-Spender,
oder wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen", teilten Ärzte der
Karlsruher Kinderklinik den Eltern in Bauschlott mit. Die
Typisierungsaktion in der Gräfin-Rhena-Halle im Dezember war zwar
ein grandioser Erfolg, der zeigte, zu welch orangisatorischen
Leistungen eine Dorfgemeinschaft fähig sein kann, der genetische
Zwilling aber war nicht unter den über 3000 Spendern. Kurz vor
Weihnachten traf im Haus an der Strombergstraße dann doch noch eine
Botschaft ein, die Hoffnung aufkommen ließ: Über die Deutsche
Knochenmarkspenderdatei wurde ein Mensch ausfindig gemacht, dessen
Stammzellen zu Christians Knochenmark passten.
Zuversicht kam auf und mit ihr eine weitere Tortur für
Christian. Am 8. Januar brachten ihn die Eltern in die Uni-Klinik
nach Tübingen. Als der Patient am 1. März entlassen wurde, hatte er
eine intensive Chemotherapie, die Stammzellentransplantation,
Morphiumgaben und 40 Tage Isolation hinter sich. "Nie hat er sich
richtig beklagt", sagt die Mutter, hat es den Eltern, was das
psychische Verkraften angeht, so leicht wie möglich gemacht. Aber er
habe Wert darauf gelegt, dass entweder Vater oder Mutter täglich am
Krankenbett weilten. Die Übung, jeden Tag zur Klinik zu fahren,
setzte sich für die Stößers auch nach der Entlassung des Sohnes
fort. Von nun an mussten sie Tag für Tag zur Kontrolle in Tübingen
auf der Matte stehen - und das bis September. Weil Christians
Blutwerte bis heute nichts zu wünschen übrig lassen, haben die Ärzte
den Turnus auf drei Wochen erhöht. "Am 26. April", erinnert sich Evi
Stößer, "ist der Christian ohne Mundschutz zum ersten Mal wieder
raus." Zehn Kilo hatte er abgenommen.
84 Medikamente täglich
"Alles, was gut war", durfte ihr Bub nicht essen. "Und
alles, was er essen durfte, musste abgekocht sein." Zu Spitzenzeiten
habe Christian 84 Medikamente zu sich genommen, heute seien es zwar
noch zwei, eines davon aber ein Antibiotikum, das eben auch nicht
appetitförderlich sei, "dabei isst er am liebsten Rostbraten."
Seiner Leib- und Magenspeise darf er wieder frönen und wird sie noch
einige Male verdrücken müssen, um Kondition bolzen zu können, die
für sein kräftezehrendes Hobby erforderlich ist, "denn Fußball ist
sein Ein und Alles. Er spielt in der D-Jugend", lässt Christian
seine Mutter mitteilen.
Fußball gegen Qualen
Fußball im Fernsehen sei es auch gewesen, der ihm die
Qualen im Krankenbett erträglicher werden ließ. Morphium hat die
Schmerzen gelindert und müde gemacht. "Geschlafen hat Christian
viel", erinnert sich Evi Stößer. Und dann waren da noch die
Prospekte von Rasenmähern, auf denen man sitzt wie auf einem
Traktor. "In diesen Prospekten hat er viel geblättert, denn wir
haben ihm versprochen, ihm so einen Rasenmäher zu schenken, wenn er
all das hier hinter sich hat." Und ein weiteres Versprechen gibt es
noch, auf das sich die Eltern gleichermaßen freuen: Endlich mal
wieder Urlaub. Der wird nächstes Jahr auf Sylt verbracht. Gerhard
Gründler
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